Der Geburtsort des Schiffer-Verein um 1862

Als in England die Fussball-Association gegründet wurde, die Weltausstellung in London ihre Tore öffnete, Verdi seine Oper „Macht des Schicksals“ vorstellte und Ludwig von Köchel das unter seinem Namen bekannt gewordene chronologisch-thematische „Köchel-Verzeichnis“ sämtlicher Tonwerke Wolfgang Amadeus Mozarts veröffentlichte, schrieb man das Jahr 1862. Es war nicht nur das Geburtsjahr des französischen Staatsmannes und späteren Nobelpreisträgers Aristide Briand, des Dichters Gerhard-Hauptmann und des Komponisten Claude Debussy, sondern auch des wohl ältesten Beueler Traditions-Vereins überhaupt, des Schiffer-Verein Beuel.

Wer ein Bild von der Entwicklung Beuels aus den zurückliegenden Jahren geben will, darf die Geschichte des „Schifferverein Beuel“ nicht übersehen.

Sie ist sicherlich auch ein gut Stück Geschichte des alten Ortsbereichs Beuel in der ehemaligen Herrlichkeit des Stiftes Vilich, das seine Hoheits- und Verwaltungsrechte in napoleonischer Zeit an die Mairie, die Bürgermeisterei Vilich, abtreten musste.

Diese Entwicklung Beuels ist recht ansehnlich. Was war Beuel um das Jahr 1860? Ein bescheidenes Dorf, während es heute mit mancher Stadt den Vergleich aufnehmen kann.

Diese alte Beuel, im Norden umgrenzt von der früheren Wilhelmstraße und dem Heckelsberg – der heutigen Oberen Wilhelmstraße – und im Süden von dem Komplex des March’schen Geländes, hatte kaum einen geschlossenen Ortskern. Die Häuser schmiegten sich, wie eine mehrfache Perlenkette lose aufgereiht, an das seichte Ufer des Stromes und verästelten sich in kleinen Gruppen landeinwärts, ohne erkennbare bauliche Ordnung, lediglich gebunden an eigenen Grund und Boden.

Man darf ruhig behaupten, dass diese über Jahrhunderte fest in sich gefügte Ortssituation an den Strom gefesselt war, gab er doch, abgesehen von einigen Ziegelbäckereien und dem unentbehrlichen Handwerk, den meisten Menschen das tägliche Brot.

Der untere Rheinlauf von Honnef bis Emmerich gehörte einst zu den interessantesten Gewässern der Binnenfischerei. Mit seiner außerordentlichen großen Vielfalt von Fischarten und den reichen Fischbeständen, wovon man sich heute kaum noch eine Vorstellung machen kann, gab er manchem Fischersmann sein tägliches Brot. Die damaligen Einwohner Beuels waren hauptsächlich Fischer, deren Armut so groß war, dass sie im Winter das Brot besorgten, auf den im Frühjahr zu erhoffenden Maifischfang hin.

Der Fischerei als Wirtschaftsfaktor wurde einst von staatlichen Organen bis in die hohe Politik hinein eine große Bedeutung beigemessen. Noch im vorigen Jahrhundert war die Fischerei in Beuel recht beachtlich. Da sah man noch bis zur Jahrhundertwende die unzähligen Fischerkähne und – nachen in langer Kette stromauf dicht am Ufer vor Anker liegen.

Die Nachen – sie wurden hier auch als „Schütt“ bezeichnet -, die die Fischer am Rhein zu ihrer Arbeit auf dem Strom benutzten, waren weder in ihrer Form einheitlich gebaut noch ausschließlich hier verbreitet. Es gab also keineswegs den Typ des rheinischen Fischerkahns. Jedes Boot, das den speziellen Anforderungen der Fischerei an den Einsatz der erforderlichen Geräte genügte, konnte von den Fischern genutzt werden. Für bestimmte Fangweisen war es notwendig, an Bord zusätzliche Einrichtungen einzubauen. Die wichtigste Voraussetzung für den Einsatz eines Bootes in der Fischerei war, das es einen flachen Boden hatte. So konnten beim Überfahren von ausgebrachten Netzen oder beim Queren von Halte- und Ankertauen für Reusen und Körbe Beschädigungen vermieden werden.

Als Hauptsaison für den Fischfang am Rhein galten die Zeiten, in denen die einträglichen Wanderfische zogen. Bei den Salmen, die in mehreren unterschiedlichen Schwarmperioden bergwärts wanderten, erstreckten sich die Fänge über eine längere Zeit. Bei den Maifischen hat das jahreszeitlich regelmäßige Erscheinen im Strom zur Namensgebung geführt. Maifisch war eine Sammelbezeichnung für zwei in der Körperform ähnlichen Fischarten, die bei in großen Schwärmen regelmäßig im Rhein erschienen. Bei uns im Bonner Raum war hierfür die Namenform „Finke“ gebräuchlich.

Die Maifische stiegen überwiegend im Mai den Rhein hinaus, und zwar im Bereich der Wasseroberfläche. Sie waren die einzige Heringsart der Binnengewässer. Von den Fischereifachleuten wurden sie auch als Süßwasserheringe bezeichnet. Der Maifisch wurde im Durchschnitt 35 cm bis 50 cm lang und erreichte ein Gewicht von bis zu 3 kg. Die Fischer am Rhein mussten mit den Gewohnheiten der stromauf und stromab wandernden Fische vertraut sein; von diesem Wissen hingen ihre Fangergebnisse weitgehend ab. Denn zu den Wanderfischen gehörten gerade jene Arten, deren Fang die Wirtschaftsgrundlage bot und die den Broterwerb sicherte. Sie bezeichneten diese Fische daher auch als „Brotfische“. Damit waren vor allem die aus dem Meer zu den Laichplätzen aufwärts steigenden Salme (auch Lachse genannt) und Maifische sowie die zum Laichen aus den Flüssen dem Meer zuwandernden Aale gemeint. Diese Fische traten in großer Zahl auf, waren begehrt und erzielten auf dem Markt einen guten Preis.

Auch all die Fische, denen man beim Aal- oder Salmfang nicht gezielt nachstellte, wurden durchaus wirtschaftlich genutzt. Dies galt nicht nur für die Notzeiten während oder nach den letzten beiden Kriegen, als alles ohne Schwierigkeiten verkauft werden konnte, was in die Netze ging. Die minderen Fischsorten, denen man gelegentlich mit kleineren Fanggeräten eigens nachstellte, wurden auch als „Bratfisch“ oder „Backfisch“ bezeichnet. Da sie sehr grätig waren, ließen sie sich in gekochtem Zustand nur mit Mühe genießen. Wenn man sie aber scharf briet, traten die Gräten kaum in Erscheinung. Es gab Fischgaststätten am Rhein, die gerade wegen der Backfische gerne aufgesucht wurden.

Die übertragene Bezeichnung für Mädchen im „Backfischalter“ mag sich daraus erklären, dass die Beifänge der Fischer vielfach aus Jungfischen bestanden, die bei der Zubereitung knusprig gebraten wurden. Am Rhein haben sich die beiden Namen Salm und Lachs nebeneinander gehalten. Man sprach im Sommer von den „frischen Salmen“, während die im Fleisch blasseren Fische, die im Herbst und Winter gefangen wurden, „Lachse“ hießen.

Waren das noch Zeiten, als im Frühjahr der Rheinsalm in Schwärmen stromaufwärts zu den Laichplätzen strebte. Da waren die Beueler Fischer hell auf dem Posten. In Gemeinschaftsarbeit wurden die schweren Netze weit in den Strom hinaus gerudert, um nach mühsamer Arbeit prallgefüllt an Land gezogen zu werden. Dieser Edelfisch gab Brot für lange Zeit.

Im Gasthaus „Zur Erholung“ in der Rheinaustraße, um 1855 von Hermann Thiebes gegründet, kehrten viele Jahre hindurch die Bonner als Gäste ein, wenn sie sich mit dem Nachen am „Johannes“ hatten übersetzen lassen, um sich beim „Thiebes Hermännsche“ die leckeren Rheinfische gut schmecken zu lassen. Beuels Gesellschaftsleben spielte sich zum allergrößten Teile im Saale der „Erholung“ ab.